Zum Lizenzantrag der Dissent – Medienwerkstatt Darmstadt

Warum es notwendig war, einen eigenen Lizenzantrag zu stellen. Unsere Erklärung vom Oktober 2007, mitten in der Aufregung, dass es da einen konkurrierenden Verein mit einem konkurrierenden Lizenzantrag gibt

Der Verein „Dissent – Medienwerkstatt Darmstadt“ hat Anfang September 2007 bei der Hessischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien (LPR Hessen) die Lizenzierung als Anbieter nichtkommerziellen, lokalen Radioprogramms auf der Frequenz 103,4 MHz in Darmstadt beantragt.

Faktisch konnte dieser Antrag lediglich eine Willenserklärung darstellen, denn nach Hessischem Privatrundfunkgesetz (HPRG) darf ein Lizenzantrag erst gestellt werden, wenn eine Frequenz von der Landesmedienanstalt ausgeschrieben worden ist. Dies war in Darmstadt nicht der Fall, obwohl die derzeitige Lizenz bereits Ende 2006 ausgelaufen ist und nicht verlängert wurde.
Dennoch hat die LPR Hessen reagiert und erwogen, die Frequenz in Darmstadt neu auszuschreiben.

Die Frankfurter Rundschau berichtete darüber am 9. Oktober, Darmstädter Echo und Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) folgten am 10. Oktober 2007.
Wir dokumentieren die Artikel als PDF-Dateien: Frankfurter Rundschau | Darmstädter Echo | Frankfurter Allgemeine Zeitung

Am 5. November 2007 hat die Versammlung der LPR Hessen die grundsätzliche Entscheidung getroffen, dass Radar einen Verlängerungsantrag stellen darf. Am 10. Dezember 2007 wurde die Lizenz erneut an Radar vergeben, allerdings zunächst nur für ein Jahr. Die Lizenzierung für weitere vier Jahre ist dem Verein in Aussicht gestellt, wenn es ihm gelingt, im Verlauf des folgenden Jahres seine Probleme mit der Zugangsoffenheit zu lösen. Das heißt im Umkehrschluss, dass bereits in einem Jahr ein Lizenzantrag der Dissent – Medienwerkstatt Darmstadt erneut auf der Tagesordnung stehen kann.

Warum ein eigener Lizenzantrag?

Uns stellt sich die Frage, ob ein Lokalradio Britney Spears braucht? Eine Vielzahl von lokalen Themen wartet darauf, von lokalen Journalistinnen und Journalisten entdeckt zu werden. Und es ist unserer Ansicht nach die Aufgabe von Lizenznehmerinnen für nichtkommerziellen lokalen Hörfunk, die Sendenden in ihren Radios für diese Themen zu interessieren und zu begeistern.

In einer Situation, die geprägt ist von ständiger Berieselung mit Unterhaltung bei gleichzeitigem informationellem Overkill, ist nicht mehr der Zugang zu den Nachrichten das Problem, sondern die Auswahl. Wer hilft mir, herauszufinden, was wichtig ist? Und wer hilft mir, herauszufinden, was stimmt?

Das heißt nicht, dass Special-Interest-Themen im nichtkommerziellen Lokalradio keinen Platz mehr finden sollen. Aber der Schwerpunkt der Präsentation muss sich unserer Ansicht nach verlagern, so dass immer stärker Hörerinnen und Hörer angesprochen werden, die bisher mit dem Thema nichts oder nur wenig anfangen konnten.

Damit entsteht für Lokalradios neben der eigentlichen Kernaufgabe der lokalen Berichterstattung eine weitere Aufgabe: Gerade die Macherinnen und Macher von nichtkommerziellem Lokalradio können punkten, wenn es darum geht, einen Weg durch das Informationsdickicht zu bahnen, sind sie doch vielen Hörerinnen und Hörern aus anderen Zusammenhängen bekannt und damit als Orientierung besonders geeignet. Sie sind für die Hörerinnen und Hörer in ihrer Glaubwürdigkeit einschätzbar.

Damit die Sendenden in den Lokalradios dieser Aufgabe nachkommen können, müssen die Lizenznehmerinnen, also die Trägervereine der nichtkommerziellen Lokalradios, die dafür notwendige organisatorische, technische und kommunikative Infrastruktur zur Verfügung stellen. Komplizierte oder sogar nichtfunktionierende Studiotechnik benachteiligt strukturell Sendungen mit höherem Wortanteil und inhaltlichem Anspruch. „Übrig“ bleiben Sendungen mit hohem Musikanteil und sinnentleerter Moderation.

Kategorie: Textwerkstatt | veröffentlicht am 11. 12. 2007